Gesetzliche Altersgrenze zur Gültigkeit des Führerscheins – AvD spricht sich deutlich dagegen aus

Fahrsicherheit und Fahrtauglichkeit, wichtige Themen, wenn es um den Führerschein geht. Dabei sind nicht nur die Fahranfänger eine Risikogruppe im Straßenverkehr, sondern auch die Senioren, von denen so mancher leider alles andere als fahrtauglich ist. Dennoch ist es fraglich, ob eine gesetzliche Altersgrenze zur Gültigkeit des Führerscheins tatsächlich Sinn machen würde.

Bei der Vorstellung der Studie „Senioren und Fahranfänger – Sicherheit 2010“ der Verkehrswachtstiftung Niedersachsen waren sich alle Anwesenden, einschließlich der prominenten Gäste, Entertainer Peter Kraus und Schauspielerin Janina Uhse, einig: Eine gesetzliche Regelung zum Führerschein im Alter macht keinen Sinn. Dieser Meinung ist auch der AvD, der Automobilclub von Deutschland, den wir heute um eine Stellungnahme zum Thema gebeten haben daraufhin folgendes Statement erhielten.

Die Fähigkeit zum Fahren erhalten: Warum der AvD soziologisch begründet gegen eine gesetzliche Altersgrenze der Gültigkeit des Führerscheines ist!

Das Alter als gesellschaftliches Phänomen gehört  in die Kategorie der neuen mit der entfesselten Risikogesellschaft notwendig gewordenen Risikofeststellungen, die der Soziologe Ulrich Beck treffend so formuliert hat: Risikofeststellungen sind die Gestalt, in der die Ethik und damit auch die Philosophie, die Kultur, die Politik in den Zentren der Modernisierung, in der Wirtschaft, den Naturwissenschaften, den Technikdisziplinen wieder aufersteht.

Im Klartext heißt dies: Gestritten wird in Wahrheit doch nur, wie viel individuelle und kollektive Mobilität und wie viel ältere  Bewohner sich ein reiches Industrieland leisten und wie ihre Mobilität sozialverträglich gestaltet werden kann, und wer dadurch in seinen Möglichkeiten eingeschränkt werden könnte. Doch dem darf sich die Verkehrssicherheitsarbeit nicht kritiklos unterordnen

Das Argument, alte Verkehrsteilnehmer seien ein verlangsamendes Hindernis darf dabei keinesfalls gelten: Noch langsamer sind Radfahrer und Kinder – sie alle verdienen die gleiche Rücksicht des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren. Die Senioren spielen im Straßenverkehr und in der Statistik eine  eher beruhigende und die Statistik verbessernde Rolle und es gibt keinen Grund die bisherige Verkehrssicherheitsarbeit mit Senioren und den Alten, die keine mehr sein wollen, generell in Frage zu stellen. Von 1000 Autofahrern haben laut HUK-Statistik mehr als 700 zwischen 18 und 21 Jahre alte Fahrer ein hohes Risiko als Verursacher, aber weniger als 300 älter als 65 Jahre, obwohl Senioren 16% aller Verkehrsteilnehmer stellen! Das Phänomen der Hochaltrigkeit ist, dass diese Gruppe durch Selbstbeschränkung und Einsicht ihre Mobilität an ihre Ansprüche der Verkehrssicherheit anpasst und so zur allgemeinen Entlastung beiträgt.

Dies ist nur einer der Gründe, warum wir, der AvD gemeinsam mit vielen Wissenschaftlern eine feste Altersgrenze für Fahrerlaubnisentzug  ablehnen. Alterspolitik muss trotz der objektiv höheren Gefahr, die ein achtzigjähriger Autofahrer vielleicht selbst und damit auch für die anderen Verkehrsteilnehmer darstellen kann, variabel und differenziert am Einzelfall ansetzen.  Zwar sind die heutigen Siebzigjährigen geistig und körperlich so fit wie die Sechzig- bis Fünfundsechzigjährigen vor dreißig Jahren, aber in Einzelfällen kann dies auch unzutreffend sein. Man ist so alt , wie man sich fühlt – entsprechend schwierig ist das Einschätzen des richtigen Alters alter Menschen: Das Alter von sechsjährigen Kindern schätzt jeder von Ihnen recht genau ein, bei Fünfundsiebzigjährigen dagegen liegt man oft daneben. Diejenigen, die beispielsweise an einem Schulfest zur fünfzigsten oder sechzigsten Wiederkehr des Schulanfangs teilgenommen haben, können dies bestätigen. Wenn man in den Raum kommt, glaubt man, einige hätten ihre Kinder und andere ihre Eltern mitgebracht, und dies, obwohl alle gleichaltrig sind. Das wahrgenommene Alter der etwa Fünfundsechzigjährigen reicht dabei von fünfzig bis achtzig.

Es gibt statistisch keine Gründe für radikale Einschnitte in der Verkehrsplanung, schärfere Gesetze, Schritte von der Verkehrsberuhigung bis zur  Videoüberwachung. Denn bei der Altersmobilität und der umgedrehten Alterspyramide handelt es sich um eine seit gut hundert Jahre andauernde normale Entwicklung westlicher Gesellschaften. Das ist normal: Je älter die Bevölkerung wird, um so weniger konsensfähig, ja riskanter werden damit auch für alle Beteiligten in der Gesellschaft die früher  problemlos anerkannten altersbezogenen Regeln des Miteinander.

Egal welche Bezeichnung man wählt, ob man sich als  „Best Ager“, Senior oder hochbetagter Autofahrer fühlt oder zu den hundert- jährigen Stars zählt; der Mensch will auch im hohen Alter mehrheitlich weiterhin reisen, sicher und spontan mobil bleiben. Und er nimmt damit volkswirtschaftlich gesehen auch in einem hohen Maße an der Wertschöpfung teil, hat ein Recht seine Mobilität zu leben, bis der Arzt kommt oder die Zulassungsstelle ihm wegen mangelnder Fahreignung ihm diese Fähigkeit aberkennt oder er freiwillig auf Führerschein und Autofahren verzichtet.“