Lang-Lkw: Das Für und Wider von 25 Meter langen 40-Tonnern
25 Meter lange 40-Tonner, das ist es, was seit Jahren die deutschen Gemüter erhitzt. Sollen in Deutschland tatsächlich so genannte Lang-Lkw fahren dürfen, oder sind solche Nutzfahrzeuge eher verkehrsgefährdend statt verkehrsberuhigend.
Pro und Contra Lang-Lkw
„Spediteur Ulrich Boll, ADAC-Verkehrsexperte Björn Dosch und Kay Lindemann, Leiter Politik des Verbands der Automobilindustrie (VDA), diskutieren das Für und Wider der 25-Meter-Lang-Lkw.
Seit bald sieben Jahren diskutiert die Republik über die Einführung von Lang-Lkw. In mehreren europäischen Ländern sind sie bereits im Einsatz. Aktuell soll ein bundesweiter Feldversuch klären, ob und unter welchen Umständen sie auch in Deutschland erlaubt werden könnten. Warum tun wir uns hierzulande so schwer mit dem Thema?
Lindemann: Wir kommen doch ganz gut voran. Vor zehn Jahren war das Thema Lang-Lkw hierzulande noch ein Tabu. Inzwischen sprechen wir schon über einen bundesländerübergreifenden Großversuch.
Dosch: Ich finde ebenfalls nicht, dass wir uns schwertun. Die Debatte ist notwendig. Dass die Diskussion manchmal zäh ist, liegt vielleicht daran, dass jeder über etwas anderes spricht. Es gibt eine wahre Kakofonie von Forderungen.
Weil nicht klar ist, ob es um Lkw mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen oder 60 Tonnen geht?
Lindemann: Von 60-Tonnern sprechen eigentlich nur noch Polemiker, die den Feldversuch torpedieren wollen. Das ist längst vom Tisch.
Boll: Ich habe nie von etwas anderem als 40 Tonnen gesprochen – so, wie es das Gesetz bereits jetzt vorsieht.
Also reden wir über 25 Meter lange 40-Tonner. Welche Vorteile bringen solche Fahrzeuge?
Boll: Ganz einfach. Zwei solche Lang-Lkw können so viel transportieren wie drei herkömmliche. Auf bestimmten Strecken könnten wir damit ein Fahrzeug pro Nacht einsparen.
Dosch: Vielleicht funktioniert das bei der Art Fracht, die Sie befördern, Herr Boll. Insgesamt kommen aber nur sehr wenige Güter infrage: alles, was viel Platz wegnimmt, dabei aber leicht ist. Die oftmals zitierten Matratzen oder der Zwieback sind Beispiele, die ja nicht unbedingt typisch für den deutschen Gütertransport sind.
Boll: Unsinn. 80 bis 90 Prozent der Frachten sind heute solche Volumentransporte. Die Welt hat sich verändert. Wir fahren keine Stahlplatten mehr für die Montanindustrie, sondern bewegen vor allem kleinteilige, hochwertige und leichte Güter.
Befürworter der Euro-Combis argumentieren, dass der Verkehr besser fließt, wenn weniger, dafür aber längere Lkw unterwegs sind. Ist die Gleichung wirklich so einfach?
Dosch: Eben nicht. Das ist genau die Frage, die man jetzt noch mal in einem richtig großen Feldversuch untersuchen müsste. Spätestens wenn Lang-Lkw auch auf Landstraßen, in Kreisverkehren und auf Bahnübergängen unterwegs sind, wird es problematisch. Zum Beispiel macht es beim Überholen einen enormen Unterschied, ob man an einem Fahrzeug von 16,50 Meter Länge vorbeifährt oder an einem mit 25,25 Meter.
Boll: Es dauert nicht mal zwei Sekunden länger, einen 25-Meter-Lkw zu überholen. Und in den Niederlanden gibt es in dieser Hinsicht keinerlei Probleme.
Dosch: Sekunden, die entscheiden können. Jedes Jahr sterben rund 400 Menschen bei Überholunfällen auf Landstraßen. Wir müssen alles tun, damit diese Zahl nicht noch weiter steigt.
Laut Umweltbundesamt sparen Lang-Lkw nur dann Fahrkilometer und Kraftstoff, wenn sie mindestens zu 77 Prozent ausgelastet sind. Heute aber liege die Auslastung im Schnitt nur bei rund 64 Prozent. Herr Boll, würden Sie die langen Lkw vollkriegen?
Boll: Wissen Sie, so ein großer Lkw kostet eine Menge Geld – und ich muss im eigenen Interesse jede Leerfahrt vermeiden. Wir würden Lang-Lkw ausschließlich für Sammelguttransporte einsetzen, auf Strecken, wo sie garantiert zu 100 Prozent ausgelastet sind.
Viele Menschen haben schlichtweg Angst, dass so lange Lastwagen schlimme Unfälle verursachen könnten. Zu Recht?
Lindemann: Nein. Diese Fahrzeuge werden mit der neuesten Sicherheitstechnik ausgestattet. Und alle Versuchsergebnisse, die wir kennen, zeigen eindeutig, dass Lang-Lkw sicher sind. Der TÜV etwa hat den Fahrzeugen nach dem Modellversuch in Nordrhein-Westfalen ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Dosch: Einspruch. Keiner der bisherigen Versuche hatte den nötigen Umfang und wurde ernsthaft wissenschaftlich begleitet. Man müsste diese Fragen erst sauber untersuchen.
Lindemann: Die Ergebnisse der bisherigen Versuche liegen vor – und auch die Fakten. Zudem ist es eine physikalische Tatsache, dass der Lang-Lkw besser bremst, weil er mehr Achsen hat.
Und die möglichen Schäden an Straßen und Brücken? Das ist vom Tisch, oder? Schließlich wären die Fahrzeuge nicht schwerer als heutige Lkw …
Lindemann: Lang-Lkw könnten die Straßen sogar entlasten. Bei Fahrzeugen mit mehr Achsen verteilt sich das Gewicht nämlich besser auf die Räder. Die Straßenbeanspruchung sinkt um 30 Prozent je Lkw.
Dosch: Ja, theoretisch. Allerdings sagt uns die Polizei, dass viele Lkw heute bereits massiv überladen werden, oft liegt ein Großteil des Gewichts auf einer Achse. Bei Lang-Lkw dürfte das noch schlimmer werden. Denn da stehen ja weit mehr Fläche und Volumen zur Verfügung …
Lindemann: Wir sollten es nicht zum Maßstab machen, wenn manche Verkehrsteilnehmer sich nicht an Gesetze halten. Das gilt generell.
Boll: Wer überlädt, muss hohe Strafen zahlen. Nur mal ein paar Fakten dazu: Wir transportieren in unseren normal langen Lkw im Schnitt zehn bis elf Tonnen. In den Lang-Lkw, die wir vor fünf Jahren getestet haben, kamen wir maximal auf 39 Tonnen.
Klar ist aber doch, dass Ampeln und Bahnübergänge bisher nicht für derart lange Vehikel geschaltet sind. Welche Auswirkungen hat das?
Dosch: Überlange Lkw könnten an einer Ampelkreuzung die Grünphase verpassen. Oder stellen Sie sich einen unbeschrankten Bahnübergang vor: Wenn ich da mit dem Lang-Lkw drüberfahre, ist vielleicht noch frei. Aber wenn der Güterzug schon anrauscht, ist das hintere Drittel noch auf der Schiene.
Boll: Solche Gedankenspiele halte ich für ziemlich praxisfern. Und selbst wenn so etwas passiert, dann ja nur, wenn wir mit Lang-Lkw in die Innenstädte hineinfahren. Das wollen wir doch gar nicht! Dafür gibt es Logistikzentren, in denen wir von schweren Lkw auf kleinere Fahrzeuge umladen.
Lindemann: Das sehe ich genauso. Bei diesen konstruierten Szenarien – das Bahnschranken-Beispiel gehört dazu – sollte man eines nicht vergessen: Die Fahrer sind Profis, und sie meistern solche Situationen heute auch schon. Übrigens: In einigen Städten fahren Gelenkbusse, die fast 25 Meter lang sind, also deutlich länger als heutige Sattelzug-Lkw. Und die fahren problemlos sogar in Innenstädten.
Wenn die 25-Meter-Fahrzeuge nun sowieso vor den Städten am Logistikzentrum haltmachen, kann man die Güter ja auch gleich mit der Bahn schicken. Kritiker befürchten ohnehin, dass Lang-Lkw der Schiene Konkurrenz machen.
Lindemann: Viele Logistikzentren liegen nahe der Autobahn. Da fährt die Bahn nicht hin. Die Flexibilität des Lkw ist eine seiner großen Stärken gegenüber der Schiene. Und zudem befürwortet die DB Logistics den geplanten Feldversuch ja sogar. Das sollte den Kritikern zu denken geben.
Boll: Lang-Lkw nehmen der Schiene nämlich gar keine Fracht weg. Auf der Fahrt zu Bahnterminals und zurück sind sie günstiger als herkömmliche Lkw. Und so machen sie die Schiene möglicherweise sogar attraktiver.
Kommen wir zu einem Thema, das viele Autofahrer ärgert: Auf Autobahnraststätten finden Lkw kaum noch einen Parkplatz. Teilweise stehen sie schon in den Ein- und Ausfahrten. Wird das nicht noch schlimmer, wenn die Fahrzeuge länger werden?
Dosch: Tatsache ist: In Deutschland fehlen bis zu 20 000 Lkw-Parkplätze an den Autobahnen. Wenn nun eine größere Anzahl Lang-Lkw in Betrieb genommen wird, verschärft das die Situation dramatisch.
Lindemann: Die Bundesregierung will bis 2012 immerhin 11 000 neue Lkw-Parkplätze entlang der Autobahnen schaffen. Und Lang-Lkw könnten sogar ein Teil der Lösung sein.
Wie das?
Boll: Wenn wir mehr Lang-Lkw auf den Straßen hätten und damit weniger Fahrzeuge insgesamt, dann bräuchten wir auch entsprechend weniger Parkplätze.
Auf Landstraßen, in engen Kreisverkehren und in den Innenstädten ist der Platz aber mit Sicherheit zu knapp.
Dosch: Stimmt. Oft sind Kreisverkehre viel enger, als sie sein sollten. Selbst heute fährt ein 40-Tonner an vielen Stellen durch die Stiefmütterchen, oder er verhakt sich in zu engen Straßen und vor Unterführungen.
Boll: Dann haben sich die Kommunen aber nicht an die rechtlichen Vorgaben gehalten. Es ist schließlich genau vorgeschrieben, wie ein Kreisverkehr gebaut sein muss, damit ein zugelassener Lkw ihn befahren kann.
Herr Boll, Sie haben Lang-Lkw mit sogenannten Doppelachs-Dollys getestet, die mitlenken. Kommt man damit durch enge Kreisverkehre?
Boll: Ja, nach unseren Erfahrungen sogar besser als mit einem normalen Sattelzug.
Gibt es im Praxisbetrieb von Lang-Lkw überhaupt irgendwelche Probleme?
Boll: Eigentlich nicht. Das Rangieren mit so einem langen Fahrzeug muss man natürlich zusätzlich üben. Und wir brauchen mehr Platz vor den Toren der Logistikzentren. Insgesamt ist das aber nichts, was wir nicht erwartet hätten.
Das klingt nach Mehrkosten in der Ausbildung. Und was sparen Sie durch die Fahrzeuge ein?
Boll: Bei uns im Betrieb etwa 590 Fahrten pro Jahr. Das macht 295 000 Kilometer weniger – oder 9 400 Liter Diesel. Insgesamt, weil wir ja auch Fahrzeuge und Fahrer sparen, kostet uns das rund 280 000 Euro weniger. Gut ein Drittel der Kosten auf diesen Strecken.
Haben Sie noch Hoffnung, dass Sie diese Einsparungen irgendwann realisieren können?
Boll: Ja. Ich gehe davon aus, dass der 25-Meter-Lkw mittelfristig eingeführt wird. Spätestens über die EU, weil unsere Nachbarländer solche Fahrzeuge nutzen. Dann haben wir aber auch ein Problem, weil wir – anders als unsere Nachbarn – keine Infrastruktur für solche Fahrzeuge aufgebaut haben und es hierzulande keine spezialisierten Fahrschulen gibt.
Unter welchen Bedingungen könnte der Lang-Lkw denn kommen?
Dosch: In den Niederlanden dürfen Lang-Lkw auf den Autobahnen fahren sowie auf bestimmten, geprüften Nebenstrecken. Es gibt sozusagen ein privilegiertes Netz. Das wäre möglicherweise ein Vorbild.
Lindemann: Das könnte ich mir auch vorstellen. Das Gesamtgewicht bleibt auf 40 Tonnen beschränkt. Die gelenkte Dollyachse wird Pflicht, damit die Fahrzeuge wendig genug sind. Und fahren dürfen sie nur auf bestimmten Strecken. Das hilft allen: der Umwelt, dem Transportgewerbe und dem Verbraucher.
Zur Person:
Kay Lindemann
Verkehrspolitik ist die Leidenschaft des promovierten Juristen. Im Jahr 2002 ging Lindemann zum Bundesverband der Deutschen Industrie und leitete später die Abteilung Energie, Verkehr und Telekommunikation. 2008 wechselte er zum Verband der Automobilindustrie (VDA) und war für die politische Koordinierung in Berlin und Brüssel zuständig. Anfang 2010 wurde Lindemann Mitglied der Geschäftsführung des VDA. Lang-Lkw, sagt Lindemann, helfen, Staus zu vermeiden, sparen außerdem Kraftstoff und damit CO2.
Ulrich Boll
Geschäftsführer der Spedition Georg Boll GmbH & Co. KG in Meppen. Das Familienunternehmen mit 400 Mitarbeitern und 120 eigenen Lkw existiert seit 1865 und arbeitet heute weltweit. 2006 gehörte Boll zu einem von drei Pilotbetrieben in Niedersachsen, die Lang-Lkw im Praxisbetrieb testeten. Mehrere Sattelzugmaschinen bekamen einen zweiten Auflieger, der an einer lenkbaren „Dollyachse“ befestigt war – sie erlaubt es dem 25,25 Meter langen Fahrzeug, auch enge Kurven zu befahren. Er findet: Lang-Lkw bringen ausschließlich Vorteile und sollten deshalb besser früher als später in Deutschland eingeführt werden.
Björn Dosch
Leiter des Ressorts Verkehr beim Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC). Der Volkswirt begann seine Karriere Mitte der Neunzigerjahre als Referent beim Verband der Automobilindustrie (VDA) und wechselte 1998 zum ADAC nach München. Seit 1999 verantwortet Dosch den Bereich Verkehrspolitik beim ADAC, 2002 stieg er zum Ressortleiter Verkehr auf. Damit ist er für die Interessenvertretung in verkehrspolitischen Fragen zuständig, speziell für das Thema Verkehrssicherheit. Seiner Meinung nach sind längst nicht alle strittigen Punkte rund um den Lang-Lkw ausgeräumt. Er warnt vor Sicherheitsrisiken.“
Quelle Diskussion und Personenbeschreibungen: MAN
Lang LKW, dieser Test ist nichts anderes, als durch die Hintertür, die 60 t ZGGW einzuführen. Dem Fahrer nützt dieses Fahrzeug gar nichts, im Gegenteil, Mehrarbeit bei gleichem sittenwidrigen Lohn bzw Schmerzensgeld, durch die Länge ,Probleme im Verkehr, bei der Parkplatzsuche um die Pausen bzw. Nachtruhezeit einzuhalten.
Die Befürworter der Lang LKW, ist die Transportbranche, denn die kann mehr Güter befördern zum selben Dumpingpreis und die Fahrzeughersteller wittern mehr Umsatz.