AvD lehnt grenzüberschreitende Halterhaftung ab

Der Automobilclub von Deutschland sieht verfassungsrechtliche Gründe, die einer Einführung einer Halterhaftung und der Kostenübertragungspflicht bei Verkehrsverstößen widersprechen.

„AvD: Keine Halterhaftung durch die EU-„Hintertür“

• Verfassungsrechtliche Gründe sprechen dagegen
• Grundsatz „keine Strafe ohne Schuld“ muss gewahrt bleiben
• Der verantwortliche Fahrer muss belangt werden

Kleine Gefälligkeiten könnte man in Zukunft schnell bereuen. Wie etwa, Freunden oder Familienangehörigen für den Urlaub am Mittelmeer das Auto zu leihen. Denn würden sie dort „geblitzt“, könnte der Fahrzeughalter dafür zur Verantwortung gezogen werden. Dieses Szenario droht, falls auf EU-Ebene die sogenannte Halterhaftung eingeführt wird. Das wird unter anderem im Rahmen der grenzüberschreitenden Bußgeldvollstreckung immer wieder diskutiert und ist eines der Themen, mit denen sich der in einer Woche startende 48. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar beschäftigen wird (vom 27. bis 29. Januar 2010).

Der Automobilclub von Deutschland (AvD) spricht sich ausdrücklich gegen die Einführung einer Halterhaftung sowie einer Kostentragungspflicht des Halters im Zusammenhang mit Verstößen im fließenden Verkehr aus. Die Halterhaftung durch die EU-„Hintertür“ muss unbedingt verhindert werden. Nach Ansicht des AvD sprechen vor allem verfassungsrechtliche Gründe dagegen: Dem Halter eines Fahrzeugs ein Bußgeld aufzuerlegen, ohne ihm nachweisen zu können, dass er auch der Fahrer war, widerspricht dem Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“. Der Fahrzeughalter darf auch nicht dafür bestraft werden, dass er den Namen des Fahrers nicht preisgibt – dies würde mit dem Zeugnisverweigerungsrecht zugunsten naher Angehöriger kollidieren. Insoweit fordert der AvD alle von deutscher Seite Beteiligten auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Verfassungsgrundsätze gewahrt bleiben. Dies muss bei allen zukünftigen Verhandlungen und etwaigen neuen Initiativen auf europäischer Ebene oberster Maßstab sein.

Thomas Max Müller/pixelio
Thomas Max Müller/pixelio

Der AvD unterstützt selbstverständlich alle Maßnahmen, die die Verkehrssicherheit fördern und erkennt an, dass die grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsdelikten hierfür ein maßgeblicher Punkt ist. Jedoch ist der Ansatz, die damit einhergehenden Herausforderungen über eine Halterhaftung lösen zu wollen, aus Sicht des AvD allzu simpel. Zudem kann der mit dem Bußgeld verfolgte erzieherische Effekt nur dann erreicht werden, wenn derjenige zur Verantwortung gezogen wird, der den Verstoß begangen hat.

Während des Verkehrsgerichtstages in Goslar wird der AvD mit seinen Rechts- und Verkehrsexperten an den Arbeitskreisen teilnehmen und die Interessen seiner Mitglieder vertreten. Nachfolgend finden Sie sämtliche Positionen des AvD zu den Themen des diesjährigen Deutschen Verkehrsgerichtstages:

AK II: „Neues EU-Verkehrssicherheitsprogramm 2010 bis 2020“
AvD: Zusammenspiel von Mensch, Infrastruktur und Technik verbessern

Die EU-Länder möchten mit dem neuen Verkehrssicherheitsprogramm das Ziel erreichen, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren. Das begrüßt der AvD und unterstützt alle Anstrengungen, die Unfallrisiken auf europäischen Straßen zu senken. Verkehrssicherheit besteht immer aus dem Dreiklang „Mensch-Infrastruktur-Technik“. Bei der Verkehrserziehung, Fahrausbildung und Straßengestaltung ist die EU in erster Linie gefordert, Pilotprojekte und den Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten effektiver zu organisieren. Verbindliche EU-Regelungen sind nach Ansicht des AvD dagegen im Bereich der Fahrzeugsicherheit und -technik wünschenswert. Im Hinblick auf die von der EU geplante Einführung automatischer und europaweit anwendbarer Notrufsysteme wie eCall leistet der AvD als erster Automobilclub in Deutschland auf nationalem Sektor entscheidende Vorarbeit: Er wird seinen Mitgliedern bereits in Kürze die Möglichkeit einer Notfallortung über mobile Endgeräte wie Mobilfunkgeräte zur Verfügung stellen. Dabei bedient er sich des – derzeit noch national angebundenen – LifeService 112-Systems der Allianz OrtungsServices GmbH. Durch die präzise Ortung können die Rettungskräfte wesentlich schneller an der Unfallstelle sein und für die Verunglückten steigen damit die Überlebenschancen. Dieses System ist als „eCall-ready“ zu bezeichnen. Es kann also auch zu einem In-Vehicle-System „ausgebaut“ werden und wäre dann eine Nachrüstlösung für die über 40 Millionen Bestands-Pkw. Darüber hinaus fordert der AvD, Neufahrzeuge serienmäßig mit eCall auszurüsten.

AK III: „Fahrgastrechte im Land- und Luftverkehr“
AvD: Rechtsanspruch auf Entschädigung muss abgesichert werden

Durch das neue Fahr¬gast¬rech¬te¬ge¬setz und EU-Verordnungen haben Bahnfahrer, Fluggäste und Schiffspassagiere nun mehr Rechte. So ist beispielsweise geregelt, dass den Fahrgästen bei betriebsbedingten Verspätungen oder Annullierungen eine Entschädigung oder eine Ausgleichszahlung zusteht. Der AvD befürchtet jedoch, dass die Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer gesetzlichen Ansprüche alleine gelassen werden. Der Club kritisiert, dass es meist keine Kontakt- oder Informationsstellen gibt. Diese fehlen – am Beispiel des Bahnverkehrs – etwa in Peripherie-Bahnhöfen. Deshalb sollte nach Ansicht des AvD eine optimal vernetzte, neutrale Schiedsstelleninfrastruktur aufgebaut werden, unter Mitwirkung aller Verbraucherschutzorganisationen. Der AvD steht als konstruktiver Partner dazu zur Verfügung.

AK IV: Haushaltsführungsschaden
AvD: Der Verletzte muss bestmöglich entschädigt werden

Zur Berechnung der Entschädigungsleistung von Unfallopfern werden in der Praxis meist Tabellenwerke herangezogen – sowohl für die Bewertung der Haushaltstätigkeiten als auch für die Vergütung von Aushilfskräften. Diese schematischen Modelle lehnt der AvD ab und fordert, stärker auf den Einzellfall einzugehen. Hierzu muss jedoch vor allem von den Anwälten der Geschädigten detaillierter vorgetragen werden, welche Arbeiten im Haushalt unfallbedingt nicht mehr ausgeführt werden können. Um den Alltag bewältigen zu können, müssen den Unfallopfern dann ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden – beispielsweise, um eine Haushaltshilfe anzustellen. Der AvD weist darauf hin, dass für die Bemessung auch der Personenstand des Verletzten eine Rolle spielt. Ist er beispielsweise verheiratet, kann auch der andere Ehepartner verlangen, den sogenannten ‚Haushaltsführungsschaden‘ ersetzt zu bekommen.

AK V: Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot
AvD: Der Betroffene hat einen Anspruch auf Prüfung

Der Entzug des Führerscheins bzw. ein befristetes Fahrverbot kann für viele Autofahrer besonders problematisch sein, wenn z.B. die berufliche Mobilität und somit der Arbeitsplatz in Frage gestellt wird. Deshalb ist der AvD der Ansicht, dass Richter und Behörden immer prüfen sollten, ob im Einzelfall von der Sanktion abgesehen werden bzw. die Strafe reduziert werden kann. Den Betroffenen empfiehlt der AvD, möglichst konkret und umfassend die Umstände vorzutragen, die für eine Ausnahme sprechen. Laut Gesetz ist auch möglich, Auflagen zu machen, Sperren zu verkürzen oder bestimmte Arten von Kfz auszunehmen – beispielsweise landwirtschaftliche Geräte oder Baumaschinen. Der AvD fordert, stets zu prüfen, ob die bestehenden Ausnahmeregelungen angewendet werden können. Bei Trunkenheits- und Drogenfahrten sollten freiwillig absolvierte verkehrstherapeutische Rehabilitationsmaßnahmen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.

AK VI: „Idiotentest“ auf dem Prüfstand
AvD: MPU darf nicht Idiotentest bleiben, Reform notwendig

Aus Sicht des AvD ist es notwendig, die Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) zu reformieren, um eine bessere Akzeptanz vor allem bei den Betroffenen zu erreichen. Es gilt, die Qualität der Gutachten zu verbessern sowie die Untersuchungs- und Beurteilungsmethoden bundesweit zu vereinheitlichen. Für die Betroffenen sollte die zusammenfassende Beurteilung zudem kein Orakel sondern nachvollziehbar sein. Der AvD fordert einen einstweiligen Rechtsschutz gegen die MPU-Anordnung, so dass die Anordnung selbst gerichtlich überprüfbar wäre.

AK VII: Unfallrisiko „junge Fahrer“
AvD: Entwicklung junger Fahrer begleiten, Risiken intelligent reduzieren.

Momentan wird diskutiert, die Altersgrenze zum Erwerb der Führerscheinklasse M (Roller) abzusenken. Das lehnt der AvD aus Verkehrssicherheitsgründen ab. Denn es würde bedeuten, dass bereits 14- und 15-jährige Kleinkrafträder mit bauartbedingten Höchstgeschwindigkeiten von 45 km/h fahren dürften. Die Unfallstatistik belegt jedoch, dass Jugendliche dieser Altersgruppe schon auf dem Fahrrad besonders gefährdet sind. Derart motorisiert ist zu erwarten, dass ihr Unfallrisiko steigt. Das „Begleitete Fahren mit 17“ (BF17) sollte nach Ansicht des AvD dagegen weiter gefördert werden. Es ist ein Sicherheitsgewinn. Die ständige Anwesenheit einer Begleitperson hat nachhaltige Auswirkungen auf den Fahrstil. Von den Fahranfängern sind im Rahmen des Pilotprojekts gut ein Fünftel weniger Verkehrsverstöße begangen worden. Sie waren zudem in rund 30 % weniger Unfälle verwickelt. Der AvD regt deshalb auch an, die Absolventen des BF17 mit niedrigeren Versicherungsprämien zu belohnen.“

Quelle Pressemitteilung und Foto: Automobilclub von Deutschland, AvD; Copyright Foto: Thomas Max Müller/pixelio